Nähere Erläuterungen zum Flügelaltar

Neben dem Hochaltar erhebt sich an der Nordseite der Chorwand der kostbare spätgotische Flügelaltar, etwa aus dem Jahr 1529 stammend. Dem Flügelaltar fehlt die Predella (Unterbau). Der einfache Schrein wird bekrönt von einem feingliedrigen Gesprenge (Aufbau), das in meisterhaft geschnitzten Kielbögen endet. „Der Typus des Altars ist der in Kärnten nicht allzu häufige eines Bildschreinaltars mit Schreinsockel, einfachem Flügelpaar mit je zwei Reliefs auf den Innen- und je zwei Gemälden auf den Außenseiten.“ (Kunsthistoriker Otto Demus).

Geöffnet zeigt der Flügelaltar das Programm eines Marienlebens: Zentral die Geburt Christi, links oben die Beschneidung, links unten die Darstellung im Tempel, rechts oben die Begegnung Joachims mit Anna an der Goldenen Pforte und rechts unten die Anbetung der Könige. Bei geschlossenem Altar – in der Fastenzeit – erscheint ein gemalter Passionszyklus: Links oben die Ölbergszene, links unten die Dornenkrönung, rechts oben die Geißelung Christi und rechts unten das „Ecce-homo-Motiv“. Diese Malereien folgen inhaltlich der großen Kupferstichpassion von Albrecht Dürer (1513 veröffentlicht) und sind wie die geschnitzten Teile Importware.

Im Sockel unter der Geburt Christi sieht man die liegende Figur Jesses, aus der links und rechts Zweige herauswachsen. Diese Äste führen zu je einer Halbfigur (David und Salomo darstellend), die in Blumenkelchen geborgen ist, dann weiter am inneren Schreinrahmen empor zu einer winzigen, stehenden Figur und enden im Gesprenge, wo eine halbfigurige Maria im inneren Kielbogen der Schreinlaube das Marienthema des Altares krönt.

Das Vorbild für die Schnitzereien lieferte Albrecht Dürers Holzschnittserie „Marienleben“, die 1511 erstmals gesamt gedruckt wurde. Der Schnitzer hat Dürers Motive allerdings bearbeitet (so zum Beispiel werden bei der „Begegnung an der Goldenen Pforte“ die Figuren von sechs auf vier vermindert und der reich verzierte Rahmen vereinfacht) oder für den Zeitgeschmack des frühen Manierismus abgeändert (zum Beispiel in der Haartracht des knienden Königs oder Josefs).

Im zentralen Mittelbild der „Geburt Christi“ überraschen – im Unterschied zu Dürer – die gleiche Schauplatzwahl wie in der Szene der Heiligen Drei Könige sowie besonders die dynamischen Faltenschwünge der Gewänder gegenüber dem Dürerschen Knitterstil. Dieser Faltenstil weist – nach Otto Demus – auf die Herkunft des Altars aus der bekannten Werkstatt von Jörg Lederer hin, einer bekannten „Exportfirma“ aus Kaufbeuren im Allgäu. Die Entstehung ist für den Zeitraum um oder vor 1520 (Demus) beziehungsweise um 1529 (Dehio) anzusetzen.

Der Rahmen und das Rankendekor stammen aber wahrscheinlich von einem Kärntner Künstler, während die Reliefs vielleicht ungefasst nach Kärnten geliefert wurden (nach Demus). Warum sich eine so kleine Pfarre wie Maria Rojach einen sicher kostspieligen Altar von weit her leisten konnte, bleibt unklar. Demus vermutet, dass der Altar ursprünglich für eine andere Kirche, etwa für die Bischofskirche St. Andrä oder für St. Paul, bestimmt war und in der Barockzeit nach Rojach „abgeschoben“ wurde. Einen Beweis für diese These gibt es jedoch nicht. Der Flügelaltar verlor 1703 seinen Platz in der Kirchenmitte und wurde anschließend wenig beachtet. 1869 wurde er von einem verständnislosen Künstler übermalt und überschnitzt, was erst nach 1945 wieder fachmännisch rückgängig gemacht werden konnte.

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